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DIE NOTWENDIGKEIT LUFTDICHTER GEBÄUDE

Seit 30 Jahren beschäftigt sich Energieberater German Röhm schon mit der Energieeffizienz von Wohngebäuden. Dabei begegnet ihm immer wieder ein Vorurteil: Wände müssen atmen.


“Ein Dämmstoff kann nur dann seine Funktion dauerhaft und zu 100% erfüllen, wenn er von einer wind- und einer luftdichten Schicht geschützt ist.”

09.12.2019 Nur in Kombination mit einer luftundurchlässigen Schicht kann eine Dämmung ihre volle Wirkung entfalten. Dennoch verkennen viele Hausbesitzer aufgrund weit verbreiteter Vorurteile noch immer die Notwendigkeit einer luftdichten Gebäudehülle. (Letzte Änderung: 02.11.2020)


Schon bei der Planung sollte die luftdichte Ebene klar erkennbar sein, beispielsweise durch eine durchgezogene Linie.
Schon bei der Planung sollte die luftdichte Ebene klar erkennbar sein, beispielsweise durch eine durchgezogene Linie.

Warum ist eine luftdichte Gebäudehülle wichtig?

Es gibt drei Gründe, die für eine luftdichte Gebäudehülle sprechen: Das sind erstens gesetzliche Vorschriften. "Um nur eine zu nennen: die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2016, Paragraph 6", erklärt Röhm. "Dieser schreibt vor, dass Konstruktionen dauerhaft luftundurchlässig gemäß den allgemein anerkannten Regeln der Technik auszuführen sind." (Anm. der Redaktion: In dem seit 2020 geltenden Gebäudeenergiegesetz (GEG) schreibt stattdessen der Paragraph 13 die Luftdichtheit vor.)

Zweitens ist Luftdichtheit eine notwendige Voraussetzung, um Energie einzusparen und den Energieaufwand so gering wie möglich zu halten. "Hier geht es darum, einen freien und oft ungewollten Luftstrom durch eine Konstruktion, wie zum Beispiel die Fassade, das Dach oder eine Geschossdecke, zu verhindern", bekräftigt Röhm. Denn durch eine undichte Gebäudehülle kann warme Luft nach außen entweichen, sodass ständig nachgeheizt werden muss. Somit entsteht ein hoher Energieaufwand.

Drittens hilft eine luftdichte Gebäudehülle dabei, Bauschäden zu vermeiden: "So können beispielsweise Holzkonstruktionen verfaulen oder Dämmungen durchfeuchten", meint Röhm. Denn vor allem im Winter entsteht durch das Heizen ein Überdruck im Gebäude, sodass die warme Luft durch die "Leckagen", also die undichten Stellen, nach draußen "gedrückt" wird. Trifft die Luft auf ihrem Weg nach draußen auf kalte Bauteile, kondensiert das in der Luft mitgeführte Wasser. Die auf diese Weise durchfeuchteten Bauteile neigen dann zum Faulen oder Schimmeln. "Vor allem in der Vergangenheit, als auf Luftdichtheit noch nicht viel Wert gelegt wurde, war das keine Seltenheit", so der Energieberater weiter. "Auch heute kommt es noch vor, dass bei einem Neubau innerhalb weniger Jahre aufgrund von undichten Stellen Holzkonstruktionen durchfaulen."



Ein Gebäude ist so zu errichten, dass die wärmeübertragende Umfassungsfläche einschließlich der Fugen dauerhaft luftundurchlässig nach den anerkannten Regeln der Technik abgedichtet ist.

Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz - GEG), § 13 Dichtheit



Was hat eine Wärmedämmung mit Luftdichtheit zu tun?

Ist die Gebäudehülle undicht, droht nicht nur die Konstruktion zu durchfeuchten, sondern auch die Dämmung. Das hat auch Folgen für den Wärmeschutz: "Ganz einfach gesagt vermindert Feuchte den Wärmeschutz. Das führt wiederum zu höheren Energieverbräuchen und Heizkosten", bemerkt der Ausbilder. Auch der Umstand, dass warme Luft entweicht, erhöht den Energieverbrauch. Dämmung und Luftdichtheit spielen also zusammen. "Im Detail ist es so, dass ein Dämmstoff nur dann seine Funktion dauerhaft und zu 100% erfüllen kann, wenn er von einer wind- und einer luftdichten Schicht geschützt ist."

 

Welche Unterschiede bestehen zwischen luftdicht und winddicht?

Durch Luftdichtheit wird sichergestellt, dass die warme Luft nicht nach außen entweichen kann. Mit einer winddichten Gebäudehülle wird hingegen verhindert, dass Wind in das Haus eindringt. Auch in diesem Fall würde die Dämmleistung vermindert. "Die luftdichte Ebene liegt dabei in der Regel auf der warmen Seite der Konstruktion, also 'innen', und die winddichte Ebene auf der kalten Seite, also 'außen'", spezifiziert Röhm.



Gebäudehüllen müssen luft- und winddicht sein, damit die darin verarbeiteten Materialien ihre Wirkung optimal entfalten können.

German Röhm, Energieberater



Aber muss ein Haus nicht atmen, damit es nicht schimmelt?

Hier sagt Röhm ganz klar: "Wände atmen nicht – sie können es gar nicht. Stattdessen lassen Wände einen Wärmestrom und einen Wasserdampfdiffusionsstrom zu. Ob eine Konstruktion viel oder wenig Wärme, viel oder wenig Wasserdampf passieren lässt, ist dabei von einigen Faktoren abhängig." Grundsätzlich gilt jedoch: Der Feuchtigkeitsaustausch im Gebäude findet nur zu einem relativ geringen Teil über Diffusion statt. Der Großteil der überschüssigen Feuchtigkeit wird mittels Lüftungsanlage oder händischer Fensterlüftung nach draußen transportiert. Mit regelmäßigem oder automatischem Lüften lassen sich, speziell bei alten Gebäuden mit Wärmebrücken im Bereich der Fensterlaibungen oder der Gebäudeecken, Bauschäden und Schimmel vorbeugen. Es handelt sich um eine reine Lüftungsproblematik. Zudem ist es ratsam, das Haus zu dämmen, weil vor allem kalte Oberflächen bei hoher Luftfeuchtigkeit zu Schimmel neigen. "Doch das Vorurteil ist weit verbreitet. Vor allem, wenn die Worte 'Kunststoff' oder 'Folie' fallen, denken viele Leute sofort: Mein Haus kann nicht mehr atmen! Wenn man sich allerdings vor Augen hält, dass Gebäude bereits seit Jahrzehnten gedämmt und luftdicht ausgeführt werden, wird der Irrtum schnell deutlich. Natürlich verschleißen Baumaterialien im Laufe der Jahrzehnte. Doch das bauphysikalische Grundgerüst hält bei richtiger Planung, Auswahl und Verarbeitung deutlich länger. Andernfalls müssten diese Gebäude innerhalb der letzten 20, 30 oder 40 Jahre vermodert, verschimmelt oder einfach eingestürzt sein, was aber nicht der Fall ist", argumentiert der Energieberater.



Wie wird eine Gebäudehülle luftdicht?

Hierfür gibt es spezielle Systeme, meist Membranen mit verschiedenen Diffusionswiderständen. Diese werden mit dem Sd-Wert wiedergegeben, der "wasserdampfdiffusionsäquivalenten Luftschichtdicke". Eine Folie mit einem Sd-Wert von 2 m hat also den gleichen Effekt wie eine 2 m dicke Luftschicht. Dadurch wird der Dampf "abgebremst". Welchen Sd-Wert die Folie am Ende aufweist, sollte immer in Abhängigkeit von der jeweiligen Konstruktion entschieden werden.

Diese Membranen, auch Dampfbremsen oder Dampfsperren genannt, werden auf der Gebäudeinnenseite, also vor der Dämmung, angebracht und mit einem Systemklebeband oder anderen systemzugehörigen Klebern verklebt. "Es ist wichtig, zum Beispiel nur Dämmstoffe, Bahnen und Klebstoffe zu wählen, die zueinander passen und zugelassen sind", unterstreicht Röhm. Auf was man noch achten sollte und wie sich eine luftdichte Ebene genau herstellen lässt, ist genormt: "Die aktuell anerkannte Regel der Technik ist dabei die DIN 4108 Teil 7. In ihr wird alles geregelt, was in Zusammenhang mit der Luftdichtheit steht: Ausführung, Details, Materialien, Verantwortliche."


Für einer Luftdichtheitsmessung wird ein sogenanntes Blower-Door-Gerät in die Tür eingebaut, mit dem die Messung erfolgt.
Für einer Luftdichtheitsmessung wird ein sogenanntes Blower-Door-Gerät in die Tür eingebaut, mit dem die Messung erfolgt.

Wer unterstützt bei Fragen zur Luftdichtheit?

Erste Anlaufstelle ist der Energieberater. Tipps und generelle Infos kann man auch über den FLIB, den Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen e.V., einholen. Aber auch zuständige Fachunternehmer haben sich häufig über Kurse und Zusatzzertifizierungen, beispielsweise zur FLIB-zertifizierten "Fachkraft für Dicht- und Dämmarbeiten im Ausbau", das entsprechende theoretische Wissen zusätzlich zum praktischen Know-how angeeignet und stehen so bei Fragen zur Verfügung.

Falls Hausbesitzer nach einer Sanierung unsicher sind, ob ihr Gebäude tatsächlich luftdicht ist, lässt sich das beispielsweise mithilfe einer sogenannten Luftdichtheitsmessung überprüfen. Hierbei merkt Röhm jedoch an: "Ein Messdienstleister, wie es zum Beispiel ein Energieberater sein kann, muss, wenn er anerkannte Luftdichtheitsmessungen durchführen will, geprüft und zertifiziert sein." In vielen Fällen ist eine Messung durch einen zertifizierten Dienstleister zudem notwendig, um Fördermittel der KfW zu erhalten. "Die Luftdichtheit der Gebäudehülle ist eben ein wichtiger Faktor für eine energieeffiziente und dauerhafte Gebäudehülle, eine Überprüfung lohnt sich also", so der Energieberater.

 


ÜBER GERMAN RÖHM

German Röhm hat 30 Jahre Berufserfahrung im Rahmen der Bautechniker- und Meisterausbildung, ergänzt mit zertifizierten Zusatzqualifikationen für Tätigkeiten im Rahmen der Qualitätssicherung und des innovativen, energieeffizienten Bauens und Sanierens. Er ist zudem seit 2006 als geprüfter und zertifizierter Energieberater tätig und unter anderem für Programme der KfW zugelassen.


Mehr Infos und Kontakt unter: http://www.bauherrenberatung-roehm.de/


11.01.2024 16:03:56

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