Wärmespeicherung ist wichtig, kann eine Dämmung aber nicht ersetzen, weiß Prof. Dr. Hartwig Künzel, Abteilungsleitung Hygrothermik des Fraunhofer IBP.
Brauche ich eine Wärmedämmung oder reichen auch einfach dicke Wände, um mein Zuhause vor Kälte und Hitze zu schützen? Diese Frage stellen sich viele Hausbesitzer. Tatsächlich kommt es jedoch auf das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten an. Denn nur in Verbindung mit einer guten Dämmung kann Wärmespeicherung effektiv dazu beitragen, Energieverbräuche zu reduzieren. Das kommt nicht nur dem eigenen Geldbeutel, sondern auch dem Wohnkomfort zugute. Prof. Dr.-Ing. Hartwig Künzel zeigt im Interview die Rolle von Wärmespeicherung bei Gebäuden auf und erklärt, wieso ein Haus dennoch unbedingt gedämmt werden sollte.
Die Wärmespeicherfähigkeit ist eine physikalische Größe, die aussagt, wie viel Wärme ein Körper aufnehmen kann, bis sich seine Temperatur um 1 Kelvin (Anm. der Red.: Ein Temperaturunterschied von 1 Kelvin entspricht einem Temperaturunterschied von 1 Grad Celsius) erhöht hat. Sie hängt mit der Masse des Körpers und der spezifischen Wärmekapazität zusammen:
C (Wärmespeicherfähigkeit) = c (spezifische Wärmekapazität) * m (Masse)
Um unterschiedliche Materialien miteinander vergleichen zu können, wird die Wärmespeicherfähigkeit jedoch meist auf das Volumen, zum Beispiel einen Kubikmeter, bezogen. Bei der Abschätzung der Wärmespeicherfähigkeit von Bauteilen spielt deshalb deren Dichte die größte Rolle. Zum Vergleich: Wasser hat eine sehr hohe spezifische Wärmekapazität – bei den meisten mineralischen Baustoffen liegt sie bei etwa einem Fünftel davon.
Prof. Dr.-Ing. Hartwig Künzel: Für das wärmetechnische Verhalten eines Gebäudes spielt die Masse innerhalb der Dämmschicht (sofern vorhanden) die entscheidende Rolle. Sie bestimmt, wie viel Wärme erzeugt werden muss, um das Gebäude hoch zu heizen. Für ein massives Gebäude aus Mauerwerk oder Beton ist dabei mehr Energie erforderlich als für einen Leichtbau aus Holz oder Metall. Dafür kühlt der Massivbau aber auch wieder langsamer aus.
Prof. Dr.-Ing. Hartwig Künzel: Eine massive Wand speichert die Wärme besser als eine Leichtbauwand, allerdings ist das nur ein Vorteil, wenn das Gebäude permanent genutzt wird, das heißt wenn dauernd eine normale Raumtemperatur herrscht. Für seltener genutzte Gebäude oder Räume, die vor der Nutzung erst auf Raumtemperatur geheizt werden müssen, sind Leichtbauwände vorteilhaft, da zum Aufheizen weniger Energie benötigt wird und die gewünschte Temperatur schneller erreicht wird. Alternativ kann man eine massive Wand auch innen dämmen, dann verhält sie sich beim Aufheizen ähnlich wie eine Leichtbauwand.
Früher, bei einer schlecht steuerbaren Einzelofenheizung, war der Massivbau in Bezug auf das Raumklima von Vorteil, da der Leichtbau schnell überheizte und danach auch schnell wieder auskühlte (Barackenklima). Bei den heutigen, gut regelbaren Heizsystemen spielt das im Winter keine Rolle mehr, zumindest solange der Energieträger jederzeit ausreichend zur Verfügung steht. Im Sommer kann der Massivbau bei einer kurzen Hitzewelle Vorteile haben, für eine länger anhaltenden Hitzeperiode gilt das nicht.
Prof. Dr.-Ing. Hartwig Künzel: Ein klares Nein. Diese irrige Vorstellung wird leider von so genannten Fachleuten immer wieder verbreitet. Wir haben dieses Thema mehrfach ausführlich behandelt. Wer das nicht glaubt, soll im Winter mal in eine ungeheizte Kirche gehen, dann wird sie/er sehen, wie warm die massiven Wände dort sind und wie lange man es dort ohne dicken Mantel aushält.
Prof. Dr.-Ing Hartwig Künzel: Darauf gibt es keine eindeutige Antwort, da es davon abhängt, wie ein Gebäude betrieben wird. Aber es gibt Beispiele von vorteilhaften Kombinationen. Soll ein sehr gut gedämmtes Gebäude z.B. durch Windstrom betrieben werden, dann müssen häufig Schwachwindperioden, die bis zu 10 Tage dauern können, überbrückt werden. Das bedeutet, das Gebäude müsste Wärme für eine Winterperiode von bis zu 10 Tagen speichern können.
Ein normales Massivgebäude kann das selbst bei guter Wärmedämmung nicht. Hier besteht allerdings die Möglichkeit, die Wärme in massiven Bauteilen, wie z.B. Betongeschossdecken zu speichern, indem man diese bei Windstromspitzen auf höhere Temperaturen aufheizt. Damit diese Wärme nicht zu schnell an die Wohnräume abgegeben wird und diese überhitzen, ist hier eine zusätzliche beidseitige Dämmung der Geschossdecke erforderlich. Solche Aufbauten sind derzeit allerdings noch Gegenstand der Forschung, könnten aber in Zukunft einen Beitrag zur Nutzung von Überschüssen aus der erneuerbaren Energieproduktion leisten.
Prof. Dr.-Ing. Hartwig Künzel: Wenn man von nachträglicher Wärmedämmung von Gebäuden spricht, meint man meistens massive Gebäude, da der Leichtbau früher weniger verbreitet war. Am sinnvollsten ist es in der Regel, außen eine Wärmedämmung aufzubringen, sodass die Speichermassen innerhalb der Gebäudedämmung liegen. Das hat den Vorteil, dass weniger Wärmebrücken entstehen (potentielle Stellen für Schimmelpilzwachstum) und dass die Bewohner beim Einbau weniger gestört werden.
Allerdings ist eine Außendämmung nicht immer möglich. Dann ist es meistens deutlich besser, eine Innendämmung aufzubringen, als gar nicht zu dämmen. Der Vorteil einer Wärmedämmung wiegt hier deutlich schwerer als der Nachteil, da nun die wärmespeichernden Schichten außerhalb der Dämmebene liegen. Auch hier zeigt sich, dass die Wärmedämmung in aller Regel deutlich wichtiger ist als die Wärmespeicherung.
Prof. Dr.-Ing. Hartwig Künzel: Im Sommer hat die Wärmespeicherung bei kurzen Hitzewellen Vorteile, bei einer längeren Hitzeperiode eher Nachteile, denn das Gebäude kühlt nachts auch wesentlich langsamer aus. Wenn man davon ausgeht, dass die sommerlichen Temperaturen in den nächsten Jahren noch weiter ansteigen werden, dann werden auch Wohngebäude im Sommer aus Behaglichkeitsgründen gekühlt werden müssen.
Schon heute wird ein Großteil der neu errichteten Wohngebäude mit Wärmepumpen ausgestattet, die nicht nur Heizen sondern bei Bedarf auch kühlen können. Wärmepumpen sind bei einem niedrigen Temperaturhub besonders effizient (energiesparend), das heißt wenn sie im Sommer nachts laufen. Der Kühlbedarf ist allerdings am Nachmittag und frühen Abend am größten.
Durch eine entsprechende Wärmespeicherung in Bauteilen mit Flächenübergabesystemen kann eine Phasenverschiebung zwischen Einspeisung des Kältemediums und Übergabe an den Raum erreicht werden. Bei Betrieb der Kühlung durch Solarstrom ist die Wärmespeicherung allerdings wieder von Nachteil, da Kühlbedarf und Solarstromspitzen nur eine geringe Zeitverzögerung haben.
Sein Fazit: Ob Wärmespeicherung bei Wärmedämmungen einen Vorteil oder Nachteil darstellt, hängt von vielen Faktoren ab. In der Praxis ist sie allerdings häufig von Vorteil für die Behaglichkeit im Raum. Aus energetischer Sicht könnte sie in Zukunft eine größere Rolle spielen. Betrachtet man die CO2-Bilanz, dann sind massive Bauteile gegenüber Holzbauteilen eindeutig im Nachteil, da bei ihrer Produktion viel fossile Energie benötigt wird. Demgegenüber wird bei Holzbauteilen das von den Bäumen absorbierte CO2 während der gesamten Lebenszeit des Bauteils gespeichert.
Prof. Dr.-Ing. Hartwig Künzel ist Abteilungsleiter im Bereich Hygrothermik des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP im oberbayerischen Valley. Er promovierte an der Fakultät Bauingenieur- und Vermessungswesen der Universität Stuttgart. Thema seiner Dissertation war die hygrothermische Bauteilsimulation. Das dabei entstandene Modell WUFI® gilt mittlerweile international als das Standardwerkzeug für feuchtetechnische Bemessungen.
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