Energieberater Jan Wulf über die Zusammenhänge von Schimmel, Raumklima und Wärmedämmung
von Jan Wulf
Schimmel entsteht nur dort, wo er ausreichend mit Feuchtigkeit versorgt wird. Wenn ich Schimmelbildung untersuche, dann stellt sich mir als Energieberater und Schimmelsachverständiger immer zuerst die Frage nach der Ursache. Die Feuchtigkeit kann nur von außen oder von innen die Gebäudehülle durchdringen.
Von außen eindringende Feuchtigkeit führt meist zu einem typischen Schimmelwachstum mit unregelmäßiger Ausprägung. Schäden an der Gebäudehülle mit Rissen in den Außenwänden oder aber auch eine durch Laub verstopfte Regenrinne können die Ursache hierfür sein.
Beschränkt sich der Schaden jedoch auf bestimmte Bereiche der Räume, auch Wärmebrücken genannt, stammt die Feuchtigkeit meist von innen. Wärmebrücken lassen sich mit ihrer typisch niedrigen Oberflächentemperatur im Winter leicht von innen mit einer Wärmebildkamera darstellen. An ihrer kalten Oberfläche erhöht sich die relative Luftfeuchtigkeit, bis dann ab 70 bis 80 % relativer Luftfeuchtigkeit die Schimmelpilzsporen in den Ecken, an der Decke, hinter Schränken, Vorhängen oder Bildern keimen können.
Das Raumklima, das von den Faktoren Raumlufttemperatur, Oberflächentemperatur und relativer Luftfeuchtigkeit bestimmt wird, sorgt nicht nur für thermische Behaglichkeit, es kann auch Schimmelwachstum begünstigen oder verhindern. Diese drei Faktoren verändern sich laufend, bedingt durch die Bewohner und das Wettergeschehen. Sobald sich eine Größe verändert, müssen die anderen beiden angepasst werden, um damit das Schimmelrisiko möglichst gering zu halten. Wenn man die Luftfeuchtigkeit durch Lüften und die Oberflächentemperatur durch Heizen richtig reguliert, hat Schimmel keine Chance.
Auch eine Sanierung der Gebäudehülle beeinflusst diese Faktoren, z. B. durch den Einbau moderner, luftdichter Fenster mit drei Gummidichtungen. Eine Dämmung von außen erhöht die Oberflächentemperaturen an schimmelgefährdeten Stellen wiederum und senkt somit das Schimmelrisiko.
In den letzten Jahrhunderten hatten wir Einzelöfen mit Holz- oder Kohlefeuerung, später dann einzelne Öl- oder Gas-Heizungen, dazu einfach verglaste Fenster ohne Gummidichtungen und meist nur Putz an den Wänden. Die Wohnungen waren zwangsläufig immer ausreichend belüftet, und Schimmel gab es nicht, denn die raumluftabhängigen Öfen brauchten ordentlich Verbrennungsluft. Stieg die Luftfeuchtigkeit an, sodass Schimmel hätte entstehen können, kondensierte die Feuchtigkeit an den einfach verglasten Fenstern zu Wasser, das dann durch ein Loch im unteren Fensterrahmen nach draußen lief.
Die undichten Fenster waren hier die natürlichen und automatisch funktionierenden Luftentfeuchter. Dafür zog es im Winter und man musste ordentlich heizen. Komfort und Schimmelrisiko waren sehr gering.
Die erste Komfortsteigerung kam mit den Zentralheizungen, die zweite in den 60er und 70er Jahren, als zweifach verglaste Fenster mit einer oder mehreren Gummidichtungen aufkamen, um damit Heizkosten zu sparen und den Wohnkomfort zu erhöhen. Doch damit veränderte sich auch das Raumklima. Denn der automatische Luftwechsel durch die undichten Fenster entfiel, und so stieg nun in der Folge erstmals die Luftfeuchtigkeit soweit an, dass sich Schimmel in den Wohnungen bilden konnte.
Die deutlich besser gedämmten Fensterrahmen und zweifach verglasten Fenster dienten fortan nicht mehr als Kondensat-Falle für die im Wohnraum entstehende Feuchtigkeit. Die kältesten Oberflächen in den Wohnungen waren nun nicht mehr die Fenster, sondern die Wärmebrücken in den Ecken und hinter Schränken oder Bildern, wo sich auch heute noch am ehesten Schimmel bildet.
Heute verbauen wir völlig zurecht dreifach verglaste Fenster mit drei Gummidichtungen und einer ausgezeichneten Dämmwirkung, durch die kein natürlicher Luftwechsel mehr stattfinden kann – soll er ja auch nicht. Aber: Wir bauen diese Fenster in Häuser aus den 70er und 80er Jahren ein, deren Fassaden mit den modernen Fenstern nicht mithalten können. Da kann es sehr schwierig werden, das raumklimatische Gleichgewicht manuell durch Lüften und Heizen aufrecht zu erhalten. Und wenn tagsüber niemand in der Wohnung ist, der regelmäßig lüftet, steigt das Schimmelrisiko weiter an.
Wie kann man also den Wohnkomfort steigern und Heizkosten sparen, ohne dabei ein erhöhtes Schimmelrisiko in Kauf nehmen zu müssen? Im Einzelfall muss das ein Experte vor Ort entscheiden. Aber zumindest die Antwort auf die Frage, ob eine Dämmung Schimmel verursachen kann, ist offensichtlich: Eine Dämmung kann die relative Luftfeuchtigkeit in einer Wohnung nicht erhöhen, dafür aber die Oberflächentemperatur auf der Innenseite der Außenwände. Also verursacht eine Dämmung nicht Schimmel, wie das manchmal behauptet wird, sondern: Dämmung verhindert Schimmel. Das gilt aber nur, wenn sie richtig geplant und ausgeführt wird.
Wird ein Gebäude energetisch saniert, ändert sich das bauphysikalische Gleichgewicht und damit das Raumklima. Als Experte erkläre ich meinen Kunden, wie ein Gleichgewicht aus Oberflächentemperatur, Raumlufttemperatur, Raumluftfeuchte, Feuchtepufferpotenzial und der sich ständig ändernden Nutzungssituation hergestellt werden kann. Wer das Schimmelrisiko senken möchte, der muss dafür sorgen, dass die Oberflächentemperaturen steigen und die Feuchtigkeit in der Wohnung sinkt. Je besser das gelingt, desto niedriger ist das Risiko für die Entstehung von Schimmel.
Weitere wichtige Aspekte für das Raumklima stellen sowohl die Möblierung als auch die Innenbekleidung eines Gebäudes dar. Wenn Sie überwiegend versiegelte und dampfdiffusionsdichte Oberflächen wie Kunststoff, Glas oder Metall in Ihrer Wohnung haben, dann kann die entstehende Feuchtigkeit in der Wohnung nicht gepuffert bzw. nicht zwischengespeichert werden. Dies führt z. B. im Schlafzimmer mit zwei schlafenden Personen und geschlossenem Fenster jede Nacht zu einer stark erhöhten relativen Luftfeuchtigkeit.
Unter diesen Bedingungen erhöht sich das Schimmelrisiko deutlich. Im Gegensatz dazu würden viele offenporige Oberflächen wie z. B. Holz, Baumwolle, echte Teppiche und diffusionsoffene Farben und Tapeten im Schlafzimmer in den meisten Fällen erst gar keinen Schimmel aufkommen lassen. Denn die Feuchtigkeit wird in den Möbeln und Bauteilen des Raumes zwischengespeichert. Das bedeutet aber auch, dass man jeden Tag die Feuchtepuffer durch richtiges Heizen und Lüften wieder entladen muss.
Weniger Heizkosten und mehr Wohnkomfort bedeuteten in jüngster Vergangenheit oft ein damit einhergehendes, höheres Schimmelrisiko. Jede Sanierung verändert das bauphysikalische Gleichgewicht. Deshalb sollte im Vorfeld einer energetischen Sanierung immer ein unabhängiger Energieberater oder Schimmelsachverständiger hinzugezogen werden. Seit 2014 vergibt die KfW keine Fördermittel mehr, ohne dass eine vorherige Beratung durch einen KfW-Sachverständigen aus der Energieeffizienz-Expertenliste stattgefunden hat. Ich selbst bilde seit Jahren bereits andere unabhängige Energieberater aus, die ich Ihnen nur empfehlen kann.
Jan Wulf ist Energieberater und Schimmelsachverständiger. 1962 in Norddeutschland geboren, absolvierte er ab 1985 ein naturwissenschaftliches Studium der Geologie in Kiel. Von 1993 bis 2003 arbeitete er für ein umweltgeologisches Büro in Hamburg, zuletzt als dessen Niederlassungsleiter.
Seit 2005 betreibt Wulf sein eigenes Unternehmen für Energieberatung. Seit 2006 ist er Mitglied des Prüfungsausschusses der Handwerkskammer Hamburg, seit 2014 Mitglied im Vorstand des Gebäudeenergieberater – Ingenieure – Handwerker Nord e.V. (GIH Nord e.V.). Im Rahmen dieser Tätigkeit kümmert er sich um die Bereiche Technik und Fortbildung.
Dabei hält Wulf regelmäßig Vorträge zu Themen rund um die energetische Gebäudesanierung, in denen er sich nicht nur den Vorteilen, sondern auch den Risiken von Gebäudesanierungen widmet. Zudem unterrichtet er als freiberuflicher Dozent für die Energieeffizienz-Experten-Liste für Förderprogramme des Bundes.
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