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ALGEN - EIN DÄMM-PROBLEM?

Veralgte Fassaden sind unschön, wenn auch nicht gesundheitsschädlich. Prof. Dipl.-Ing. Matthias Zöller erklärt im Gastbeitrag, wann und wo sich Algen bilden und ob das etwas mit der Wärmedämmung zu tun hat.


NICHT NUR WDVS, SONDERN AUCH ANDERE FASSADENSYSTEME KÖNNEN EIN GEEIGNETER UNTERGRUND FÜR ALGEN SEIN

Wärmedämm-Verbundsysteme gehören zu den ältesten Bauweisen der neueren Bautechnik.

Sie wurden in der Nachkriegszeit als Instandsetzungsmaßnahme entwickelt, um die Putzschicht vom durch Risse geschädigten Untergrund abzukoppeln. Nach der ersten Ölkrise wurde die Bauweise in größerem Umfang zu Wärmeschutzzwecken eingesetzt. Viele dieser in den 1970er und 1980er Jahren eingesetzten Wärmedämm-Verbundsysteme verrichten noch heute ihren Dienst. Dennoch werden die seit langem praktisch bewährten Systeme in letzter Zeit zunehmend kontrovers diskutiert. Ein Bestandteil dieser Diskussion ist der Algenbewuchs.

Ich habe als Bauschadenssachverständiger schwerwiegende Schadensfälle in allen Bereichen der Fassadentechnik zu bewerten, seien es Außenwände aus Mauersteinen mit geringer Wärmeleitfähigkeit, mit Wärmedämm-Verbundsystemen mit EPS- (expandiertes Polystyrol), Mineralschaum-, Schaumglas- oder mit Mineralwolldämmplatten, bei denen Feuchteprobleme an den Anschlüssen auftreten können.

Meine Tätigkeit konzentriert sich vorwiegend auf Streitfälle. Da ich jedoch bis vor wenigen Jahren als Architekt gearbeitet habe und nun auch Bauforschung betreibe, kenne ich ebenso gut funktionierende und bewährte Konstruktionen.

 





So entstehen Algen

Mit Algenwachstum auf Fassaden ist leider mittlerweile grundsätzlich zu rechnen. Nicht nur Wärmedämm-Verbundsysteme, sondern auch andere Fassadensysteme können unter heutigen Bedingungen ein geeigneter Untergrund für Algen sein.


Algenbewuchs auf der Motorhaube und dem Scheinwerfer eines länger stehenden Autos.
Algenbewuchs auf der Motorhaube und dem Scheinwerfer eines länger stehenden Autos.

Algen zählen zu den Erstbesiedlern. Sie benötigen über einen ausreichend langen Zeitraum Feuchtigkeit und wachsen unter üblichen Umweltbedingungen auf nicht bioziden Untergründen bei nicht extremen pH-Werten. Ihr Wachstum hat in den letzten Jahren insgesamt stark zugenommen, weil bestimmte Luftwerte nicht nur für uns Menschen, sondern auch für diese Mikroben immer günstiger geworden sind.

Sie wachsen hauptsächlich in der Übergangszeit von Sommer zu Winter, wenn die in der Luft enthaltene Feuchtigkeit bei stetig geringeren Lufttemperaturen zu häufigem Tauwasserausfall an Fassaden führt. Im Winter wachsen sie nach Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik durch Dr.-Ing. Hartwig M. Künzel nicht. Die oft zitierte Erwärmung der Fassadenoberfläche von Innen durch gering gedämmte Wände von Altbauten leistet daher keinen wesentlichen Beitrag zur Algenvermeidung.

Algen sind zunächst ein ästhetisches Problem. Die Gefahr, dass sie sich auf Oberflächen bilden, ist bei bestimmten Bauweisen geringer, aber nicht vollständig vermeidbar. Sie lassen sich auch bei teureren baulichen Alternativen oder durch algenvermeidende Biozide nicht sicher vermeiden. Betroffene sollten daher für sich überlegen, ob sie den Befall hinnehmen oder durch turnusmäßige Instandsetzung beseitigen lassen wollen.



Algen sind zunächst ein ästhetisches Problem. Die Gefahr, dass sie sich auf Oberflächen bilden, ist bei bestimmten Bauweisen geringer, aber nicht vollständig vermeidbar.

Prof. Dipl.-Ing. Matthias Zöller, Architekt



Algen im Zielkonflikt mit unseren ästhetischen Ansprüchen

Algenvermeidende Maßnahmen bedeuten meist den prophylaktischen Einsatz von Bioziden, also von Giften. Sie sorgen dafür, dass sich keine Mikroorganismen an der Fassade ansiedeln. Sie müssen wasserlöslich sein, um von den Organismen aufgenommen werden zu können. Mit der Zeit werden durch Niederschläge und Tauwasser diese Wirkstoffe ausgewaschen und können in unsere Gewässer gelangen. Sie führen somit in eine Nachhaltigkeitszwickmühle: Einerseits dienen Wärmeschutzmaßnahmen der Reduzierung des CO₂-Ausstoßes und der Schonung der Ressourcen – also der Nachhaltigkeit. Andererseits verringert sich durch die Anwendung von Bioziden der Beitrag zur Nachhaltigkeit, die Umwelt wird unnötig belastet. Die prophylaktische Beschichtung von Fassaden mit biozidhaltigen Farben oder Putzen ist daher nicht zu empfehlen, zumal nicht sicher ist, ob eine Fassade überhaupt befallen wird.

Zwar werden mittlerweile verkapselte Biozide eingesetzt, die die Auswaschung deutlich verringern und verzögern, doch ihre Auswirkungen sind noch nicht hinreichend erforscht und es ist davon auszugehen, dass auch diese ausgewaschen werden und damit unsere Umwelt belasten. Durch welche Maßnahmen kann aber der Einsatz von Bioziden in Fassadenbeschichtungen ganz vermieden werden? Neben dem kühnen Appell, Algenwuchs insbesondere bei gedämmten Fassaden als Schönheitsfehler des Klimaschutzes zu akzeptieren, ist vor allem eine fachliche Beratung zu empfehlen, um den prophylaktischen Einsatz von Bioziden zu verhindern. Durch bauliche Maßnahmen, die der Wasserführung dienen, und durch geeignete Produkte lässt sich das Risiko von Algen verkleinern.

 

Algenvermeidung durch bauliche Maßnahmen und gezielte Produktauswahl

Dachüberstände und Fensterbänke können die Wasserführung auf der Fassade so beeinflussen, dass sich Algen entweder nicht oder in geringerem Umfang ansiedeln und auf den Einsatz von Bioziden zum Beschichtungsschutz verzichtet werden kann. Auch verringert sich das Risiko eines Algenbewuchses durch die Verwendung von Produkten, deren Oberflächen das Wasser zu einem flächigen Film auseinanderziehen. Dieser Film bietet eine größere Oberfläche, durch die das Wasser schneller abtrocknet, während auf wasserabweisenden Untergründen Wasser in Perlen verbleibt, die die Fassade länger feucht halten.


Während auf der hydrophoben Oberfläche der nur auf der rechten Seite polierten Motorhaube das Wasser in Perlen lange liegen bleibt, ist das Wasser von der stumpfen, hydrophilen Seite links längst abgetrocknet.
Während auf der hydrophoben Oberfläche der nur auf der rechten Seite polierten Motorhaube das Wasser in Perlen lange liegen bleibt, ist das Wasser von der stumpfen, hydrophilen Seite links längst abgetrocknet.

Zusätzlich saugen hydrophile Deckschichten Tauwasser von der Oberfläche in den Putz hinein und entziehen so den Mikroorganismen Wasser. Dieses kann zu warmen Tageszeiten dann schneller abtrocknen als von hydrophoben Oberflächen. Das alles verhindert aber nicht sicher einen Algenbefall. Speziell in nebelreichen Gebieten, bei Verschattungen durch Bäume oder ein Nachbarhaus, in Waldnähe sowie durch die geringere Schadstoffbelastung der Umwelt ist ein Algenbefall nicht sicher vermeidbar.

 

Verschmutzung und Veralgung

Noch vor 50 Jahren ließen Stäube aus Abgasen und anderer Schmutz Fassaden hässlich werden. Das galt als unvermeidbare Folge unserer eigenen Umweltverschmutzung. Niemand dachte daran, in diesen Fällen den Planer oder den Ausführenden für Fassadenverschmutzungen in die Verantwortung zu nehmen. Wenn heute Veralgungen auch auf Umweltauswirkungen, nämlich auf verbesserte Lebensbedingungen, zurückzuführen sind, muss man sich fragen, welche Beschaffenheit eine Fassade haben muss, um diese optischen Veränderungen zu unterbinden – und ob dies überhaupt möglich ist. Die Risiken eines Befalls lassen sich durch sorgfältige Planung und Ausführung zwar mindern, aber nicht vollständig ausschließen. Veralgungen sind nicht nur auf Eigenschaften des Gebäudes oder der Fassade, sondern auch auf die glücklicherweise eingetretenen verbesserten Umweltbedingungen zurückzuführen. Algen unterscheiden sich in diesem Punkt nicht von Verschmutzungen. Die Beseitigung eines störenden Algenbefalls kann deswegen mit der Beseitigung einer Verschmutzung als Instandhaltungsmaßnahme verglichen werden.


Veralgung (links) und Verschmutzung (rechts)
Veralgung (links) und Verschmutzung (rechts)

Fazit

Wärmedämm-Verbundsysteme weisen unter üblichen Nutzungsbedingungen eine hohe Alterungsbeständigkeit auf. Da die Systeme mit EPS-Dämmplatten kostengünstig sind, haben sie einen hohen Marktanteil und haben sich auf einer sehr großen Gesamtfläche von Fassaden bewährt. Dementsprechend gibt es - absolut betrachtet - bei diesem Material auch vergleichsweise mehr Schadensfälle, deren Anzahl aber prozentual gering ist. Ich halte es daher für falsch, wegen bisheriger Schadensfälle, von denen jeder einzelne sicherlich ärgerlich ist, gleich das System grundsätzlich in Frage zu stellen.

Veralgung von Fassaden ist ein optisches Problem und tritt nicht nur auf Putzen von WDVS auf. Hat früher unsere Umweltverschmutzung zu unschönen Fassaden geführt, sind sie heute Folge der Fortschritte des Umweltschutzes. Nach wie vor erfordert jede Fassade eine gewisse Instandhaltung, gedämmte Fassaden bilden da keine Ausnahme.


ÜBER DEN AUTOR

Matthias Zöller ist Architekt, von der IHK Pfalz öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden sowie Lehrbeauftragter am KIT Karlsruher Institut für Technologie (Universität Karlsruhe).


11.01.2024 16:01:37

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