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DIE FÜNF GRÖSSTEN IRRTÜMER ÜBER WÄRMEDÄMMUNG

Der Energieeffizienz-Experte Alexander Neumann ist Geschäftsführer und Technischer Leiter der Sunshine Energieberatung. Er trifft im Alltag häufig auf Vorurteile gegen die Wärmedämmung. Hier räumt er mit den hartnäckigsten auf.


DÄMMUNG: VON FAKTEN UND MYTHEN

Irren ist menschlich: Obwohl es zum Thema Wärmedämmung unzählige Studien, Untersuchungen und Erfahrungsberichte gibt, halten sich einige unbegründete Vorurteile hartnäckig. Dass es sich dabei häufig nicht um Fakten, sondern um bloße Annahmen und Meinungen handelt, ist den meisten nicht bewusst. Das muss auch Alexander Neumann in seinem Alltag als Energieberater immer wieder feststellen. Im Interview erklärt er, welche Wahrheiten tatsächlich hinter den fünf größten Irrtümern stecken.


IRRTUM 1: WÄRMEDÄMMUNG LOHNT SICH NICHT.

Beispiel: Eine nachträgliche Dämmung von Außenwänden, die zwischen 1977 und 1995 gebaut wurden. Die gelbe Linie zeigt die mittlere Amortisationszeit, die graue Fläche 95 % aller zu erwartenden Ergebnisse.
Beispiel: Eine nachträgliche Dämmung von Außenwänden, die zwischen 1977 und 1995 gebaut wurden. Die gelbe Linie zeigt die mittlere Amortisationszeit, die graue Fläche 95 % aller zu erwartenden Ergebnisse.

Alexander Neumann: Das ist ein weit verbreitetes Vorurteil, das aber so allgemein formuliert nicht zutrifft. Wärmedämmung lohnt sich beinahe immer. Natürlich ist im Einzelfall genau zu beurteilen, welche die richtigen Maßnahmen sind. Das hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem vorhandenen Dämmstandard, der Gebäudeform, aber auch der aktuellen und zukünftigen Nutzung des Gebäudes. Ein qualifizierter Energieeffizienz-Experte wird diese Besonderheiten berücksichtigen. Wenn beispielsweise eine junge Familie ein ungedämmtes Wohngebäude aus den 1950er Jahren sanieren will, ist sehr wahrscheinlich, dass sie lange dort wohnt und viel Wärmeenergie eingespart werden kann. Wenn dann ohnehin Putzschäden repariert werden müssen, ist eine Fassadendämmung in der Regel wirtschaftlich – ganz zu schweigen von dem Gewinn an Wohnkomfort und Behaglichkeit.
 


IRRTUM 2: WDVS ERHÖHEN DIE GEFAHR VON BRÄNDEN.

Alexander Neumann: Es gab in der Vergangenheit eine Reihe spektakulärer Brandereignisse, bei denen die Schuld auf die Dämmung geschoben wurde. Die anschließenden wissenschaftlichen Untersuchungen widerlegen das jedoch meist, wie zum Beispiel beim Grenfell Tower in London. Das Thema Brandschutz ist sehr komplex – natürlich muss die Wärmedämmung berücksichtigt werden. Aber bei fachgerechter Planung und Auswahl der Dämmstoffe kommt es nicht zu einer Erhöhung der Brandgefahr. Das gleiche gilt auch für Holzbauwerke, die zunehmend wieder in die Städte zurückkehren. Die entscheidenden Faktoren für die Vermeidung von Brandgefahr sind die qualifizierte Planung und die fachgerechte Ausführung.


IRRTUM 3: GEDÄMMTE WÄNDE SCHIMMELN SCHNELLER.

Alexander Neumann: Eigentlich ist das Gegenteil richtig: Wärmedämmung erhöht die Temperaturen der Innenoberflächen und schützt damit vor Tauwasser und Schimmelbildung. Hier werden häufig viele Sanierungsmaßnahmen in einen Topf geschmissen, was ja auch ein Stück weit verständlich ist, weil ein Hausbesitzer ja in den meisten Fällen kein Experte ist. Ich unterscheide bei diesem Thema aber zwischen Luftdichtheit und Wärmebrücken. Bei Dämmarbeiten wird häufig die Luftdichtheit verbessert, sodass sich das Gebäude nicht mehr ‘von selbst’ belüftet, so wie es der Nutzer vielleicht gewohnt war. Daher schreibt zum Beispiel die KfW für die Förderung solcher Maßnahmen vor, dass der Energieeffizienz-Experte ein Lüftungskonzept erstellt und den Nutzer entsprechend informiert. Richtiges Lüften in einem nach aktuellem Stand der Technik luftdichten Haus bedeutet etwa drei bis vier Mal pro 24 Stunden Stoßlüften durch „richtiges“ Fensteröffnen. Die Kippstellung reicht meist nicht aus. In vielen Fällen ist das aber mit unserem heutigen Alltag nicht mehr vereinbar. Wir empfehlen daher in unseren Beratungen immer technische Lüftungslösungen, die den Mindestluftwechsel zum Feuchteschutz sicherstellen. Besser sind Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, die wertvolle Heizenergie einsparen.



Der zweite Bereich, die Wärmebrücken, hat tatsächlich etwas mit der Wärmedämmung zu tun – an diesen Stellen wurde zu wenig gedämmt. Wenn in einem insgesamt gut gedämmten Haus einige Flächen im Innenraum durch Wärmebrücken deutlich kälter sind, kann dies zu Tauwasserbildung führen. Besonders in Bestandsgebäuden, aber zum Teil auch bei Neubauten, finden sich solche Detailpunkte, die einer besonderen Planung bedürfen. Es ist daher sinnvoll, die Wärmebrücken im Vorfeld zu prüfen. Meine Empfehlung: Nicht an der Fachplanung und Baubegleitung sparen, dies kann viele Probleme verhindern und wird bei KfW-geförderten Baumaßnahmen bezuschusst.






IRRTUM 4: DIE MEISTEN DÄMMMATERIALIEN SIND NICHT ÖKOLOGISCH.

Als graue Energie wird die Energie bezeichnet, die zur Herstellung benötigt wird. Sie ist in der Regel um ein Vielfaches kleiner als die Energieeinsparungen. Passivhaus Institut, 2015
Als graue Energie wird die Energie bezeichnet, die zur Herstellung benötigt wird. Sie ist in der Regel um ein Vielfaches kleiner als die Energieeinsparungen. Passivhaus Institut, 2015

Alexander Neumann: Der Begriff ‘ökologisch’ ist in diesem Zusammenhang nicht eindeutig. Die Gegenfrage wäre daher, welche Ansprüche die Hausbesitzer haben. Doch ganz allgemein spart jeder Dämmstoff über seinen gesamten Lebenszyklus ein Vielfaches der Herstellungsenergie ein. Das ist eigentlich bei jeder sachgerechten Anwendung der Fall. Weitere Aspekte sind die verwendeten Rohstoffe, das Recycling und die Entsorgung. Hier wird aktuell viel geforscht und entwickelt, es lohnt sich also, sich regelmäßig zu informieren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich für jeden Anspruch eine geeignete Wärmedämmung anbieten kann.



IRRTUM 5: SPECHTE NISTEN GERNE IN GEDÄMMTEN FASSADEN.

Alexander Neumann: Es ist richtig, dass Putzfassaden Spechte anlocken können – ob mit oder ohne Dämmung. Die Belastung durch Spechte ist regional sehr unterschiedlich, sie können auch in Städten auftreten. Wenn bekannt ist, dass Spechte in der Umgebung vorkommen, kann dies bei der Planung der Wärmedämmungen bereits berücksichtigt werden. In vielen Ortschaften gibt es auch spezielle Beratungsangebote. Es gibt zahlreiche Strategien, um Schäden durch Spechte zu vermeiden, angefangen vom Erhalt des natürlichen Lebensraums bis hin zu Maßnahmen wie zum Beispiel Fassadenbegrünungen oder alternative Oberflächen. Insofern ist die Existenz von Spechten in der Umgebung kein Grund dafür, in einem ungedämmten Haus zu leben, sondern nur, dieses Thema in der fachgerechten Planung zu berücksichtigen.




ÜBER ALEXANDER NEUMANN

Dipl. Ing. Architekt Alexander Neumann hat nach einer Ausbildung als Zimmerer Architektur studiert. Darauf aufbauend bildete er sich zum Energieberater weiter. Seit nun fast 10 Jahren ist er Geschäftsführer und Technischer Leiter der Sunshine Energieberatung. Dort unterstützt er als Bafa-zugelassener Energieberater Hausbesitzer bei energetischen Sanierungsprojekten sowohl von Wohn- als auch Nichtwohngebäuden. Weitere Informationen und Kontakt unter www.sunshine-energieberatung.de

Foto: (c) Daniela Catalán


08.07.2024 11:54:12

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